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19 | Verfluchtes Schwarz - Druckversion

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RE: 19 | Verfluchtes Schwarz - Darion - 12.02.2019

Darion freute sich ein wenig, dass Nasiha mit seiner Arbeit zufrieden war, aber er hielt es in dieser Situation nicht für angebracht, die Freude darüber zu zeigen. Stattdessen nickte er nur wieder und meinte:

„Das war doch selbstverständlich.“

War es das tatsächlich? Er wusste nicht, wie Wölfe normalerweise in solch einer Situation handelten, er konnte nur vermuten, dass es normal war, andere Rudelmitglieder zu unterstützen. Darion wurde wieder einmal klar, wie wenig er doch über das Verhalten von Wölfen wusste, obwohl er doch selbst einer war. Er konnte immer nur hoffen, nicht ohne es zu wissen einen dummen Fehler zu machen.

Als Nasiha in dann auch noch anstupste, fühlte er sich erst recht überfordert. Die Berührung war so leicht, dass man sie für ein Versehen hätte halten können, doch Darion merkte sehr wohl, dass es nicht so war. Am Liebsten hätte er die Berührung erwidert um sie ein wenig zu trösten. Doch er fürchtete, sich dabei ungeschickt anzustellen und es womöglich nur noch schlimmer zu machen. Daher trat er nur vorsichtig einen Schritt näher. Er fühlte sich so hilflos, weil er zwar deutlich merkte, wie sehr Devakis Schwester unter Chezas Tod litt, aber nicht wusste, was er tun könnte, damit sie sich auch nur etwas besser fühlte.

Daher fühlte er sich erleichtert, als Nasiha ihm wieder eine konkrete Aufgabe gab. Er nickte erneut und legte sich flach an die von der der Fähe angezeigte Stelle und versuchte dabei zusätzlich , sich möglichst klein zu machen.

„Ist es so richtig?“, fragte er unsicher.

Noch immer war ihm nicht klar, wie Nasiha die Tote auf seinen Rücken bekommen wollte und wie er sie dann transportieren könnte. Aber sie schien einen Plan zu haben, daher verließ er sich auf sie. Nicht, dass ihm etwas anderes übrig geblieben wäre, denn eine andere Möglichkeit, Cheza zu Devaki zu bringen, sah er auch nicht.


RE: 19 | Verfluchtes Schwarz - Nasiha - 12.02.2019

Im Augenwinkel betrachtete sie Darion und hätte beinahe geschmunzelt, als sie sah, wie überfordert er sich fühlte. Vielleicht hätte Nana bedenken können, dass er ja schließlich kaum Kontakt zu Artgenossen gehabt hatte, als sie ihn mit den für sie normalen wölfischen Gesten behandelt hatte. Trotzdem tat die kleine Aufmunterung ihr gut und auch wenn sie ein wenig auf Darions Kosten ging, hatte der junge Rüde den kurzen Moment des Unwohlseins schnell wieder hinter sich gebracht und konzentrierte sich nun voll auf die Aufgabe, die vor ihnen lag. 

Nasiha tat es ihm gleich und betrachtete mit angestrengter Miene die Szene vor ihr. Darion hatte sich möglichst klein gemacht und neben die töte Fähe gekauert und Nasiha nickte ihm kurz zu. 

“Ja, so ist es perfekt. Ich werde Chezas Oberkörper nun auf deine Schultern ziehen, bleib du einfach still liegen.“

Es war gar nicht so leicht für Nana plötzlich die Anweisungen geben zu müssen und auch wenn ihre Worte stets freundlich und bittend waren, fühlte sie sich trotzdem ein wenig so, als würde sie sich eine Rolle zu eigen machen, in der sie nichts zu suchen hatte. Sie zuckte entschuldigend mit einem Ohr und warf Darion einen milden Blick zu, doch sie stand ohnehin hinter ihm, sodass er sie nicht sehen konnte. 

Nasiha schaltete entschlossen die selbstzweifelnde Stimme in ihrem Kopf aus und stellte sich neben Darion. Vorsichtig beugte sie sich über ihn, musste ihre Vorderläufe auf den Schultern des Rüden abstützen, um Chezas Körper zu erreichen. 

“Entschuldigung.“, murmelte sie, nachdem sie Chezas Nackenfell mit den Zähnen gepackt hatte. Ob sie mit Darion oder Cheza sprach war ihr selbst nicht ganz klar, denn es gefiel ihr ganz und gar nicht, ihre Rudelgefährtin nun wie Beute herumzuschleifen, wenn auch nur kurz. Doch da musste sie jetzt durch.
Nana biss die Kiefer fester zusammen und zog probeweise an dem toten Körper. Sie war schwerer als erwartet und Nana musste sich recht stark gegen Darion stemmen, um Cheza überhaupt nur bewegen zu können. Nur langsam rührte sie sich und Nana knurrte leise vor Anstrengung und auch um sich selbst zu motivieren. Darion unter ihr tat ihr wahnsinnig leid, doch sie hatte es fast geschafft. Mit einem letzten entschiedenen Rück schaffte sie es, Chezas Oberkörper nun vollends auf Darions Rücken zu ziehen. 

Nasiha stellte ihre Pfoten nun wieder in den Schnee, ihre Kiefer löste sie allerdings erst, nachdem sie Cheza noch ein paar mal auf dem Rücken des Rüden hin und her geschoben hatte, bis sie auch wirklich fest auf seinen Schultern lag. 

“Entschuldigung, Darion.“, sagte sie erneut und trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zu betrachten. Dabei streckte sie sich kurz, um ihren verspannten Nacken zu lockern. 

“Geht das so?“, fragte sie und betrachtete den jungen Rüden kurz, der wie begraben unter der Fähe aussah. Allerdings fragte Nasiha nur aus der Besorgnis heraus und eher weniger, weil sie noch eine alternative Idee hatte, wie sie die Fähe zu ihrer Grabstätte bringen könnten. Das hier war die beste Lösung und zusammen würden sie das schon hinbekommen, davon war Nasiha überzeugt.

Sie trat nun auf die andere Seite, an der Chezas Hinterläufe nun viel zu gerade von Darions Körper hinab ragten. Nanas Augen verengten sich und ihre Ohren klappten erschrocken nach hinten. Die Kälte hatte ihre Rudelgefährtin nicht verschont, ihr Körper war wie angespannt, ein Bild so absurd wie grausam. Doch das machte es für Nana zunächst einfacher. 

“Nicht erschrecken.“, warnte sie Darion. Sie legte sich nieder und schob sich dicht an Darions Seite unter Chezas Körper. Durch deren gerade durchgestrichen Körper und die Kuhle, in der sie vorher gelegen hatte, war ein kleiner Gang für Nana entstanden, durch den sie sich an die Seite des Rüden schieben konnte. Trotzdem musste sie sich erst einmal durch den Schnee vorkämpfen und sich dabei so dicht an Darions Flanke entlang schieben, dass sie kurzeitig sein Fell einatmete.
Leicht keuchend kam sie an seiner Seite an, der warme Körper des Rüden bildete einen skurrilen Kontrast zu dem eiskalten Körper, der nun auf ihren Schultern thronte.

“So müsste es gehen.“, sagte Nana und warf Darion einen Seitenblick zu. 
“Wir müssen jetzt unsere Bewegungen aneinander anpassen, damit sie nicht runterfällt. Vor allem müssen wir gleichzeitig aufstehen.“ 

Nanas Worte waren etwas abgehackt, das Graben und der anschließende Kraftakt die Fähe zu bewegen hatten bereits an ihren Kräften gezehrt. So blieb sie kurz noch liegen und atmete ein paar Mal kräftig durch, so kräftig es das Gewicht, dass auf ihrem Oberkörper lastete, eben erlaubte. Dann nickte sie entschlossen, um Darion und auch sich selbst ein wenig zu motivieren. 

“Bereit?“, fragte sie und sammelte bereits Spannung in ihren Gliedern, um zusammen mit Darion vom Boden aufstehen zu können.


RE: 19 | Verfluchtes Schwarz - Darion - 14.02.2019

Darion folgte Nasihas Anweisungen und blieb still liegen, auch als die Fähe mit ihren Vorderpfoten auf seine Schultern stieg. Es tat ihm zwar nicht weh, aber es war doch irgendwie äußerst unangenehm. Ihm war klar, dass es notwendig war und das Nasiha es nicht so meinte, dennoch fühlte es sich erniedrigend an, wenn ein anderer Wolf auf ihm stand Er fragte sich, ob sich so ein Omegawolf fühlte. Das war soweit er wusste der rangniedrigste Wolf eines Rudels, auf dem alle anderen Wölfe drauf rum trampeln konnten – womöglich sogar wortwörtlich. Zwar gab es auch bei Hunden so etwas wie eine Rangordnung, aber er hatte gehört, das Wölfe deutlich mehr Wert darauf legten. Bisher hatte er allerdings noch nicht viel davon gemerkt. Zwar war Devaki ihr Anführer, aber das hatte sich irgendwie von selbst ergeben, ohne dass es eine eine explizite Auseinandersetzung oder gar Kämpfe um die Rangordnung gegeben hätte, ebenso wie er jetzt Nasihas Anweisungen folgte, einfach weil sie einen Plan über das weitere Vorgehen hatte, während er selbst recht unerfahren war. Aber vielleicht lag das daran, dass sie kein richtiges Rudel waren? Vielleicht würde sich das ändern, wenn sie erst Devakis Rudel wiedergefunden hatte. Womöglich würde für einen unerfahrenen Wolf wie ihn dann doch nur die Position des Omegas bleiben, vorausgesetzt das Rudel akzeptierte ihn überhaupt.

Nasihas Entschuldigungen rissen ihn aus seinen düsterer werdenden Gedanken. Denn während ihm bei der ersten noch nicht ganz klar war, ob sie nicht doch eher die tote Cheza meinte, war die zweite Entschuldigung eindeutig an ihn gerichtet.

„Macht nichts. Kein Problem“, erwiderte er. Was hätte er auch sonst sagen sollen? Er wusste ja, dass es sein musste und Nasiha es nicht machte, um ihn zu ärgern.

Der Körper auf seinem Rücken fühlte sich seltsam an, starr und kalt und tot. Er roch nicht einmal mehr nach wirklich Wolf – jedenfalls nicht nach lebendigem Wolf. Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, dass dieses Ding vor nicht allzu langer Zeit ein Wolf wie er gewesen war, mit Gefühlen, mit Freunden, die Cheza nun nie wieder sehen würden, und mit Träumen und Wünschen, die nun nie mehr in Erfüllung gehen würden.

„Ja klar, das geht so“, antwortete Darion auf Nasihas Frage. Die Last auf seinem Rücken war zwar schwer, aber nicht zu schwer. Zumindest, solange er sie nicht alleine bewegen musste.

Als Nasiha sich an ihm entlang schob und direkt neben ihm zu liegen kam, war das hingegen überhaupt nicht unangenehm. Im Gegenteil, es war irgendwie schön, den warmen, lebendigen Körper der Fähe an seiner Seite zu spüren, insbesondere nachdem er mit der Toten zu tun hatte.

„Ja klar, ich bin bereit“, erklärte er. „Sag Bescheid, wenn es los geht.“

Auch er spannte sich an, um aufzustehen, sobald Nasiha das Signal dazu gab.


RE: 19 | Verfluchtes Schwarz - Nasiha - 16.02.2019

Das eiskalte Gewicht lag nun auf ihnen, die Kälte drang durch ihr Fell , ihre Haut, bis hinab in tiefere Schichten und Nana fröstelte leicht. Der Rüde neben ihr hätte sie eigentlich irritieren sollen, denn Nasiha war kein Wolf, der schnell die Nähe zu anderen suchte, sie wahrte lieber eine sichere Distanz. Doch dieses Mal verspürte sie nicht den Drang, auf Abstand zu gehen, denn so war sie nicht alleine mit der tödlichen Kälte, die von allen Richtungen zu kommen schien. Von unten, als eisiger Wind von der Seite und nun auch noch von oben, ein steifer Körper, der sie zu Boden presste und hier festhielt in dieser skurrilen Position, begraben unter einer Fähe, die noch Wochen zuvor an ihrer Seite gewandelt war, warm, weich, lebendig.

Sie spürte, dass Darion neben ihr sich ebenfalls angespannt hatte und warf ihm einen raschen Seitenblick zu. Nana musste sich bewegen, sie wollte keinen Moment länger hier verweilen, mit ihren düsteren Gedanken und der Hoffnungslosigkeit, die sie nicht wollte und auch gerade absolut nicht gebrauchen konnte. 

“Okay, Darion, jetzt!“, gab sie das Kommando und Seite an Seite schafften sie es auf die Pfoten. Nana hielt die Luft an und blieb kurz ganz still stehen, doch Cheza ruhte sicher auf ihren Schultern und machte keine Anstalten, herunter zu rutschen. 

Sie könnte gar nicht sagen, wie weit der Weg wohl sein mochte, der vor ihnen lag. Während sie neben Chezas Körper gewacht hatte, hätten Stunden vergangen sein können, oder auch nur Minuten. Nana konnte sich nicht erinnern, wie lange Darion tatsächlich weg gewesen war. Sie hatte sich diesem kurzen Moment der Verzweiflung hingegeben, in der Zeit keine Rolle spielte. Trauernd hatte sie über Cheza gewacht und hatte ihr all das gesagt, was sie zu Lebzeiten versäumt hatte. Nana wusste, welche Rolle die Fähe vor allem auch in Devas Leben gespielt hatte und sie war ihr unendlich dankbar dafür, dass ihr Bruder jemanden an seiner Seite gehabt hatte, der ein Stück weit Siyis Rolle übernommen hatte, ohne den Welpen jemals das Gefühl zu geben, sie wolle ihnen die Mutter ersetzen. 

“Dann mal los…“, murmelte sie und holte ihre Gedanken zurück in die Gegenwart. Das Gewicht auf ihren Schultern war, nun, da sie fest auf allen Vieren stand, nicht so schwer wie sie es zunächst angenommen hatte. Doch der Weg durch den tiefen Schnee würde ihnen einiges abverlangen, da machte sie sich keine Illusion. Nana hoffte, dass sie Darion nicht zu viel zugemutet hatten. Der Rüde hatte weniger Ausdauer und auch weniger Muskulatur, als die hier draußen geborenen Wölfe. Außerdem trug Darion auch noch den Vorderkörper der Fähe, welcher sicher etwas schwerer sein würde, als der hintere Teil ihres Körpers. Doch Nana hatte nicht gewusst, wie sie das Hinterteil der Fähe auf den Rücken des jungen Rüden hätte bekommen sollte, ohne Cheza noch mehr zu entwürdigen.

Nasiha stellte energisch die Ohren nach vorne. Es würde schon alles gut gehen. Vielleicht war der Weg auch gar nicht so weit, wie sie jetzt annahm. Zur Not würden sie eben die Positionen tauschen, irgendwie würde es schon gehen. Nana nickte entschlossen und gemeinsam traten sie den Weg zu Chezas letzter Ruhestätte an.


RE: 19 | Verfluchtes Schwarz - Devaki - 21.02.2019

Er betrachtete sie stumm und nickte nur kurz, als Zeichen, dass er verstanden hatte. Sonst änderte sich an Devakis Mimik allerdings nichts, das darauf schließen ließ, ob er nun Mitleid mit Yashaí empfand oder nicht. In seinem Inneren machte sich so etwas Ähnliches durchaus breit. Einen geliebten Wolf zu verlieren war schlimm genug. Sich nicht gebührend von ihm verabschieden zu können – ein letztes Mal seinen vertrauen Geruch aufnehmen, die Nase im Fell vergraben oder ein paar leise Worte flüstern können, war grausam. Auch wenn keine dieser Taten etwas ungeschehen machen konnten, sie sorgten doch für ein wenig Trost und machten den Abschied etwas greifbarer. Umso mehr bewunderte er Yashaí eigentlich dafür, dass sie auch ohne ein solches Ritual den Verlust hatte verarbeiten und die Trauer überwinden können. Wahrscheinlich sollte er sich ein Beispiel an der Kraft der Fähe nehmen. Es schien ihm nur so unmöglich, so viel Stärke aufbringen zu können.

„Natürlich, nur zu – ich kann mir nicht vorstellen, dass Cheza sich über ein paar weitere Seelen an ihrer Seite beschweren würde.“


Das würde sie durchaus nicht, Cheza war gesellig und freundlich gewesen. Sogar Namíds „Attacken“ auf sie hatte sie mit Humor genommen und war dem jungen Wolf nie böse gewesen. Devaki nickte erneut und ein sanfterer Ausdruck trat in seine Augen, der ein wenig die Verzweiflung und den Schmerz vertrieb.

„Gibt es etwas, das sie besonders gern getan haben? Etwas, mit dem sie gerne spielten? Äste, Blätter...? Unsere Welpen konnten nie genug von den unzähligen Dingen bekommen, die sich in der Natur als Spielzeug boten. Vielleicht gibt es etwas, das wir... symbolisch mit hinzulegen können, wenn du magst?“


Er blickte unsicher in das Loch hinab, das nun schon bald tief genug sein würde. War sein Vorschlag lächerlich? Vielleicht. Vielleicht hing er einfach zu sehr an Gesten, vielleicht genügte Yashaí einfach der gedankliche Abschied von ihren Liebsten, ein Moment der Stille, ein Augenblick der Ruhe und einige Wölfe, die die Gedanken an die letzte Reise mit ihr teilten. Devaki hob den Kopf und warf einen unsicheren Blick auf die Fähe neben sich. Dann wandte er den Kopf und blickte kurz in Richtung des Flusses. Aber von seiner Schwester, Darion und der weißen Fähe war noch nichts zu sehen.


RE: 19 | Verfluchtes Schwarz - Yashaí - 01.03.2019

Ein Hauch von einem Lächeln bloß zierte schließlich die Züge der Wölfin. Keines, was Freude zeigte oder Sorglosigkeit, sondern Erleichterung. Erleichterung über die Möglichkeit, ihrer verlorenen Familie einen Abschied zu gewähren und ihnen eine Gedenkstätte zu schenken. Eine Gedenkstätte, in der der Dank lag, den sie Finiq schuldig bleiben musste. Eine Gedenkstätte, die all das beherbergte, was Fel und Vinya eines Tages hätten lernen oder sehen sollen auf ihrem Weg zu einem stattlichen, erwachsenen Wolf. All das, was Yashaí ihnen nun nicht mehr zeigen oder beibringen konnte. All das, was ihnen an Zeit auf ewig verwehrt bleiben würde. Tatsächlich glaubte sie nun, diese ganze Prozedur ein wenig besser verstehen zu können. Sie musste es sich nicht mehr vorstellen, sondern spürte am eigenen Leib, wie ein wenig Schuldigkeit von ihr abfiel, weil sie das Gefühl hatte, irgendetwas tun zu können. Aber es brachte auch die Erinnerungen und die Schwere mit zurück. Auf die Erlaubnis des Schwarzen hin entgegnete sie nichts außer den Blick mit diesem zaghaften Lächeln, ehe sie die Nase senkte und sich ihre Seelenspiegel in der Grube verloren, die Cheza bald schon eine Ruhestätte für die Ewigkeit bieten würde. Einen Herzschlag nur, ehe sie wieder aufsah und über Devakis Worte nachdachte. Auch das hatte etwas sehr schönes an sich, aber die Bunte fühlte sich von all den Möglichkeiten ein wenig überfordert.

„Sie waren noch so jung. Sie hatten kaum eine Möglichkeit, all das kennenzulernen, was die Welt für sie bereithielt.“, erwiderte sie nachdenklich und runzelte die Stirn. „Jetzt hätte ich gerne einen der Sterne aus der Höhle.“

Dieses Mal war das Lächeln deutlicher, ehrlicher.

„Lass uns weiter machen. Nicht, dass Cheza und die anderen hier ankommen und wir ihnen erklären müssen, weshalb ihr Ruheplatz noch nicht fertig ist.“ Demonstrativ begann sie wieder, Erde aus der Grube zu schaufeln. „Vielleicht fällt mir bis dahin ja noch etwas ein.“

Dabei war der Schnee nicht unbedingt hilfreich. Nicht mal eine Blume zeigte sich zu dieser Jahreszeit, die an die farbenfrohe Natur im Frühjahr erinnert hätte. Nicht mal ein moosbewachsener Stein, der die Nasen der jungen Wölfe meist mit so vielen fremden Gerüchen verwöhnt hatte, als sie noch im Schutz der Höhle geblieben waren.


RE: 19 | Verfluchtes Schwarz - Darion - 02.03.2019

Als Nasiha ihm die Anweisung gab, zögerte Darion nicht, sondern stand auf und stemmte so Chezas Köper hoch. Dabei achtete er darauf, weder schneller noch langsamer als Nasiha zu sein, denn ansonsten würde Cheza von ihren Rücken rutschen und alles wäre umsonst gewesen. Glücklicherweise waren sie beide ähnlich groß. Das war keine Selbstverständlichkeit, Evanaya und Yashaí waren schließlich deutlich kleiner als er. Ob Fähen grundsätzlich kleiner waren als Rüden? Er musste zugeben, dass er noch nicht genug Wölfe aus der Nähe gesehen hatte, um das sicher sagen zu können. Auch Cheza machte auf ihn den Eindruck, dass sie kleiner gewesen war als er. Allerdings mochte das täuschen, es war schwer, sie sich lebendig vorzustellen.
Die Nähe zu Nasiha war Darion unterdessen überhaupt nicht unangenehm. Im Gegenteil, es beruhigte ihn, in dieser alles andere als angenehmen Situation die Fähe direkt neben sich zu spüren. So war er wenigstens nicht alleine mit der toten, kalten Cheza. Er hätte sich ohnehin mehr Nähe gewünscht, er hatte manchmal das Gefühl, dass die anderen, obwohl sie nun schon länger gemeinsam unterwegs waren, noch immer ein wenig auf Distanz blieben. Aber er wusste natürlich nicht, was bei Wölfen üblich war, und außerdem waren sie ja kein richtiges Rudel.

Auf Nasihas erneutes Kommando setzte Darion sich vorsichtig in Bewegung. Es war gar deutlich schwieriger, so zu laufen, dass Cheza nicht runterrutschte, als es im Stehen gewesen war. Sie mussten darauf achten, immer gleich schnell zu laufen und dicht beieinander zu bleiben. Dazu kam noch der hohe Schnee, sodass sie nur sehr langsam voran kamen.
Dem grauen Rüden war klar, dass er den Vorderteil der Toten trug und daher schwerer zu tragen hatte, als Nasiha, aber er empfand das nicht als ungerecht. Einer von ihnen musste schließlich den vorderen Teil übernehmen. Er merkte jedoch bald, was ihm schon während ihrer Wanderung immer wieder aufgefallen war: Die anderen waren, wohl weil sie schon ihr ganzes Leben ihr Futter selbst jagen mussten, stärker und vor allem ausdauernder als er. Doch jetzt war es unmöglich, die Plätze zu tauschen, und so musste er durchhalten. Schließlich wollte er nicht daran schuld sein, dass Cheza irgendwo unterwegs liegen bleiben würde.

Darion wusste nicht, wie lange sie unterwegs waren, aber es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis sie sich merklich der Baumgruppe näherten, in der Cheza ihre letzte Ruhe finden sollte. Und schließlich kamen auch Yashaí und Devaki in Sicht.

„Da vorne sind sie“, meinte er leise zu Nasiha.

Normalerweise hätte er jetzt gerufen, um die beiden anderen auf sich aufmerksam zu machen, doch in dieser Situation kam ihm das irgendwie unpassend vor. Sie würden sie schon von sich aus bemerken, wenn sie noch näher kamen.


RE: 19 | Verfluchtes Schwarz - Véraire - 03.03.2019

Wieder war Véraire ein klein wenig überrascht, wie zärtlich ihn Shila berührte. Doch dieses Mal verunsicherte es ihn weniger, viel mehr baute es ihn auf. Es gab ihm das Gefühl, dass Shila merkte, wie sehr er sich anstrengte, und dass es ihm wirklich ernst damit war, Mikasi zu beschützen – auch, wenn er nur sehr langsam vorankam. An diesem Gefühl konnte auch der Ärger des gelben Vogels nichts ändern. ‚Der wird sich schon wieder beruhigen, wie jedes Mal…‘, war alles, was Véraire dazu einfiel.
Dann begann Mikasi plötzlich zu zappeln, und Véraire musste nun nicht mehr nur das Gewicht des Fuchses tragen, sondern auch noch dessen unregelmäßigen, ruckartigen Bewegungen ausgleichen. Er knurrte kurz verdrossen, doch das Geräusch ging in dem weißen Pelz unter. Mikasi murmelte etwas, und Véraire brauchte eine Weile, bis er verstanden hatte, dass der Fuchs runtergelassen werden wollte. Doch diese Forderung konnte Véraire nicht ernst nehmen – er hatte den Fuchs gesehen, und er wusste, dass der Kleine in keiner Verfassung war, selbst zu laufen. Also ignorierte er diese Forderung einfach und schleppte sich weiter.
Wie langsam er tatsächlich Fortschritte machte erkannte er erst, als Shila in losging, um eine falsche Fährte zu legen und dann in (gefühlt) zehn Sekunden wieder da war. Tatsächlich musste sie einige Minuten weggewesen sein… Véraires Mut sank kurz, doch dann riss er sich zusammen. Das konnte doch nicht sein! Er würde nicht aufgeben!
Als Shila ihn fragte, ob sie ihm Mikasi abnehmen sollte, wollte er gerade trotz seines schmerzenden Nackens ablehnen – neu gewonnene Motivation und so! – aber er kam nicht dazu, denn beide wurden von Liaths Ankunft abgelenkt. Véraire fühlte sich so glücklich wie Shila wirkte, und hätte er nicht noch immer das mittlerweile wieder schlaffe Fellbündel im Maul gehabt, hätte er den Grünäugigen vielleicht ebenfalls sanft berührt.
Dass noch mehr Wölfe aus dem Gebüsch kamen freute ihn natürlich ebenfalls, doch was Laines zu sagen hatte, löste bei ihm eine ähnliche Reaktion aus wie bei Shila. Er wusste, dass Mikasi nicht zum Rudel gehörte – genauso wenig wie er. Und auch er konnte nicht über die Tatsache hinwegsehen, dass er halt doch „nur“ ein Fuchs war. Aber dieser Fuchs war mutig, und auch wenn er nicht kämpfte wie Wölfe und nicht lebte wie sie, so hatte er doch gezeigt, dass er sich davon nicht abhalten ließ, Wölfe zu retten. Warum sollten sie sich also nun zieren, den Fuchs zu retten?
Zu sagen, dass Dannsair die Situation rettete, wäre vielleicht ein bisschen viel gewesen, aber erinnerte das kleine Grüppchen doch daran, dass es jetzt besseres zu tun gab als hier zu argumentieren. Véraire hatte auch nicht das Gefühl, dass das etwas war, was man jetzt durch Diskussionen hätte klären können. Viel besser war es, wenn sie alle hier wegkamen, und Mikasi dann für sich selbst sprechen konnte. Er wusste ja, dass der Fuchs bis vor kurzem noch verzweifelt herumgezappelt hatte, und hoffte einfach mal, dass das keine Todeskrämpfe gewesen waren, sondern Lebenszeichen.
Jetzt legte er Mikasi doch noch kurz ab, um das Maul frei zu haben.

„Ich würde vorschlagen, dass wir einfach alle Diskussionen auf später verschieben.“ Sein Blick ruhte auf Shila – sie war die einzige, der er wirklich etwas vorschreiben konnte, zumindest dem Gefühl nach.

„Ich erwarte nicht, dass mir jemand hilft, aber ich werde jede Hilfe dankbar annehmen.“ Jetzt blinzelte er Dannsair dankbar zu – er wollte nicht zugeben, wie froh er tatsächlich über jeden ausgewachsenen Wolf war, der bereit war, die schwere Last ein paar Minuten zu tragen.

„Wichtig erscheint mir im Moment, dass wir uns überhaupt bewegen.“

Er hoffte, dass die Diskussion mit diesen Worten beigelegte war, nahm Mikasi wieder am Nackenfell und wartete darauf, dass die anderen die Richtung vorgaben. Sie wusste eher, wohin man gehen sollte – er war ja bisher nur Namíds Spur hinterhergelaufen.


RE: 19 | Verfluchtes Schwarz - Nasiha - 03.03.2019

Zusammen mit Darion machte sich Nasiha auf den beschwerlichen Weg. Der Schnee war beinahe Brusthoch und das Gewicht auf ihren Schultern schien sie nur noch tiefer in die kalten Massen einsinken zu lassen. Sie ging dicht neben Darion, passte sich seinen Schritten an.
 
Anfangs strauchelten sie hin und wieder, doch schnell hatten sie ihren Rhythmus gefunden. Ihre Bewegungen wurden beinahe eins, so kam es Nasiha vor und schon bald musste sie den Blick nicht mehr auf Darions Pfoten richten, um mit ihm Schritt zu halten, sie spürte es an den Bewegungen seiner Muskeln, direkt an ihrer Schulter und ihrer Hüfte.

Es war still um die beiden, doch Nana war froh, dass der Rüde sich im Augenblick ebenso fürs Schweigen entschieden hatte, wie sie. Worüber hätten sie auch reden sollen? Sie hingen ihren eigenen Gedanken nach, konzentrierten sich ganz auf ihre Aufgabe und das war der Fähe mehr als recht.
 
Sie kamen langsam voran und doch stetig, doch trotzdem kam es Nana vor, als würden sie sich eher rückwärts bewegen. Immer wieder warf sie Darion einen besorgten Seitenblick zu, doch der junge Rüde schlug sich wahnsinnig gut. Sanft schob sie ihn in die Pfotenspuren, die einer der Anderen hinterlassen hatte. Der Größe nach zu urteilen müssten es Devakis gewesen sein und Nana spürte ein Ziehen in der Brust und kurz erfasste sie wieder die Ungeduld. Doch sie zügelte sich, auf keinen Fall konnte sie das Tempo anziehen und riskieren, dass einer von ihnen stolperte und Cheza von ihren Schultern fiel.
 
Sie sah Darion kurz an und hoffte, dass sie ihm den Weg so etwas erleichtert hatte. Wenigstens musste er weniger mit dem Schnee kämpfen und konnte die Schneise benutzen, die Deva bereits durch die weiße Landschaft gezogen hatte. Die Spuren der Anderen waren nicht dicht genug an Devas dran, sodass sie beide hätte jeweils eine benutzen können, doch das machte Nasiha nichts aus. Darion hatte ohnehin mehr Last zu tragen als sie, daher war sie froh ihm den Weg wenigstens ein bisschen leichter zu machen.
 
Nana spürte, dass der Körper über ihnen langsam etwas wärmer wurde. Natürlich lag es an der Körperwärme, die sie und Darion ausstrahlten, doch sie bildete sich ein, dass Chezas Lebensgeister ein letztes Mal zurückkehrten und ihre Seele auf dem Weg zu ihrer letzten Ruhestätte dicht neben ihnen lief. Ein tröstlicher Gedanke und Nasiha war unendlich froh, dass sie dieses Ritual für Cheza durchführten, egal welche Anstrengungen auch damit verbunden waren. Cheza war es wert.
 
Darions leise Worte ließen Nana den Blick heben, den sie in tiefer Konzentration stets dicht vor ihre Pfoten gesenkt hatte, mit der Gewissheit, dass der Rüde sie führen würde. Vor ihnen konnte sie das bunte Fell von Yashaí und Devas schwarzen Pelz zwischen den Bäumen erkennen. Sie wedelte zaghaft und neue Kraft strömte durch ihre erschöpften Glieder, nun, da das Ziel so nahe war. Im Näherkommen erkannte sie das Loch, welches die beiden gegraben hatten, doch ihr Focus lag auf Deva. Wie ging es ihm?


RE: 19 | Verfluchtes Schwarz - Namíd - 13.03.2019

Namíd war schweigend - und so schnell es ihm eben möglich war mit seiner Verletzung - hinter den anderen hergelaufen. Mit der Zeit hatte sich der Abstand zwischen ihnen um einige Meter ausgedehnt. So sehr er es auch wollte, er konnte sich nicht schneller bewegen. Jede Bewegung sandte ein schmerzendes Gefühl von seiner Verletzung. Die vorsichtigen Bewegungen, zu denen er übergegangen war, machten ihn allerdings langsamer, was den Vorsprung der anderen erklärte.

Als auch er endlich bei der Gruppe, die mittlerweile zu Véraire, Shila und dem bewusstlosen Mikasi gestoßen war, ankam, hörte er nur noch Véraires Worte, dass sie weiterlaufen sollten. Er stimmte ihm gedanklich zu. Diskutieren brachte ihnen in der jetzigen Situation nichts. Namíd selbst sagte zu dem Thema wer Mikasi tragen wollte gar nichts. Laines hatte Recht. Sie würden in Gefahr geraten, wenn sie ihn mitschleppten. Er sah das ein, doch zur gleichen Zeit tat ihm das Herz weh, bei dem Gedanken was die Alternative dazu war. Solange Véraire den Fuchs tragen konnte war es gut. Doch was würde passieren, wenn der Braune nicht mit der Gruppe mithalten konnte? Mikasi war zwar nur ein Fuchs, aber es war doch schwer für einen Wolf ihn zu tragen. Ihm kam allerdings auch ein anderer Gedanke. Er selbst konnte ja ebenfalls nicht so schnell laufen wie die anderen Wölfe der Gruppe. Laines würde vielleicht Mikasi zurücklassen, wenn sie nicht schlell genug waren, aber ihn selbst nicht, oder doch? Würde Laines ihn opfern, falls die Tiermeute ihnen zu nahe kam und Namid nicht hinterher kam? Stillschweigend legte er sich in den Schnee um seine verletzte Pfote auszuruhen und grübelte vor sich hin. Er musste seine Kräfte schonen um so gut es ging mit den anderen mithalten zu können.