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Noch viel zu lernen | Nach 17 | Devaki und Darion - Druckversion

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Noch viel zu lernen | Nach 17 | Devaki und Darion - Darion - 22.06.2015


Noch viel zu lernen

Devaki und Darion | Wald | nach „Auf der Suche“ | Am Morgen nach der Flucht


Eine Nacht war vergangen, seit sie Darion aus seinem Gefängnis befreit hatten. Devaki hatte nicht viel geschlafen und obwohl ihm hin und wieder die Augen zugefallen waren, war sein Körper am nächsten Morgen keineswegs erholt gewesen. So war er früh auf den Beinen, stillte seinen Durst am Bach, der noch immer gefroren war, aber in dessen Oberfläche sich mit den Pfoten leicht ein Loch brechen ließ. Der Schwarze zwang sich währenddessen nicht an die Geschehnisse im Tal zu denken und sorgte dafür, dass er sich rasch wieder entfernen konnte. Um sich abzulenken nutzte er die frühe Stunde für eine kleine Jagd. Im Schnee war es nicht schwer die Spuren der Wildtiere auszumachen, sodass es nicht lange dauerte, bis er zwei unvorsichtige Kaninchen erlegt hatte. Sie waren jung und nicht sehr gut genährt, aber es würde vielleicht reichen, um den morgendlichen Hunger bei den anderen zu stillen. Zwischen den Bäumen bewegte er sich so leichtfüßig, wie es sein mitgenommener Körper zuließ und kehrte geradewegs zu den anderen zurück.

Darion hatte die erste Nacht wieder in Freiheit auch nicht allzu gut geschlafen. Zu viel war ihm durch den Kopf gegangen. Wer waren die drei Wölfe, die ihn befreit hatten? Und warum hatten sie es getan, obwohl sie ihn doch gar nicht kannten? Warum duldeten sie ihn in ihrer Mitte? Zu fragen traute er sich nicht, da er befürchtete, sie könnten ihre Freundlichkeit ihm gegenüber dann noch einmal überdenken. Nun beobachtete er aus sicherer Entfernung den schwarzen Rüden bei der Jagd und bewunderte, wie selbstverständlich es ihm zu sein schien, sein Futter selbst zu erbeuten. Für Darion war das nach wie vor außergewöhnlich, und er musste zugeben, dass er sich dabei längst nicht so geschickt anstellte, wie der Schwarze. Nachdem dieser jetzt zu den anderen zurückkehrte, begleitete Darion ihn. Dabei achtete er darauf, dass der Abstand zwischen ihnen nicht so groß wurde, dass Devaki dachte, er wolle mit ihm nichts zu tun haben, aber auch nicht so dicht, dass der Eindruck entstehen könnte, er wolle sich ihm aufdrängen. Den schwarzen Rüden anzusprechen traute er sich nach wie vor nicht.

Ganz in Gedanken versunken hatte er nicht bemerkt, dass der neue Rüde ihm gefolgt war. Erst als sie nur noch wenige Minuten von den Fähen entfernt waren, fiel Devaki das verräterische Knarzen des Schnees auf, der unter Darions Pfoten verdrückt wurde. Der Schwarze drehte unauffällig den Kopf zur Seite und erspähte den Rüden aus den Augenwinkeln. In seiner Vermutung bestätigt, wandte sich Deva zunächst wieder nach vorn, blieb aber wenige Schritte später einfach mit erhobenem Kopf stehen und ließ seine Beute in das Weiß vor seinen Pfoten fallen. „Verfolgst du mich?“ fragte er den Rüden hinter sich, ohne ihn jedoch anzusehen oder gar Anstalten zu machen, sich umzudrehen.

Darion erschreckte, als Devaki ihn ansprach. Er hatte gleichzeitig gehofft und befürchtet, dass dieser ihn ansprechen würde. Gehofft hatte er es, um in einem Gespräch zumindest einen seiner Befreier besser kennen zu lernen, und befürchtet, weil er sich nicht sicher war, ob das, was er erfahren würde, ihm gefallen würde. Was, wenn sie schon planten, ihn wieder loszuwerden? Und nun verlief Einstieg ins Gespräch so gar nicht, wie erhofft. War es nur eine Frage, oder lag ein Vorwurf darin? Darion war sich nicht sicher. „Nein. Ich brauchte nur ein bisschen Bewegung.“ Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Du bist gut im Jagen! Jagst du dein Futter immer selbst?“
Dass Devaki immer relativ neutral und nüchtern sprach, würde Darion im Laufe der Zeit sicher lernen. Der erste Schrecken, den ihm die Ansprache des Schwarzen einjagte, war durchaus ein wenig beabsichtigt gewesen. Devaki wollte testen, wie es um den jungen Rüden bestellt war. Aber er schien zumindest fürs Erste kein unerschrockener Krawallmacher zu sein. Als der Rüde nun antwortete, drehte Devaki sich langsam zu seinem neuen Begleiter um und musterte ihn ein wenig eindringlicher. Als Darion jedoch feststellte, dass Deva ein guter Jäger war, kehrte sein Blick augenblicklich zum Gesicht des anderen zurück und blickte – ein wenig amüsiert – direkt hinein. „Natürlich. Kleines allein, großes Wild mit der Hilfe anderer Wölfe. Täte ich das nicht, wäre ich nicht mehr hier. Ohne Jagd kein überleben, so einfach ist das hier draußen.“ stellte der ehemalige Leitrüde fest. Das klang erneut recht nüchtern. Aber entsprach leider der Wahrheit.

Darion wusste nach wie vor nicht, was er von Devaki halten sollte. Warum schaute er ihn jetzt so an? Wollte er Darion nur kennen lernen oder versuchte er, irgendetwas zu finden, was ihm ermöglichen würde, ihn davonzujagen? Darion Frage schien ihn zumindest kurz zu amüsieren, doch als er antwortete, war in seiner Stimme keine Spur mehr davon zu erkennen. überhaupt war die Stimme des Schwarzen so neutral, dass Darion nicht sicher war, ob er darin Ablehnung erkennen konnte oder nur neutrales Interesse. „Als ich noch bei den Menschen war, haben sie mir immer Futter gebracht. Aber ich kann auch selbst jagen. Zumindest kleinere Tiere, wie Kaninchen. Mit anderen Wölfen habe ich noch nie zusammen gejagt, weil ich ja keine anderen Wölfe kenne. Aber ich könnte das sicherlich auch lernen.“ Er wollte unbedingt vermeiden, den Eindruck zu erwecken, dass er nicht in der Lage wäre, alleine zu überleben, sonst würden die anderen ihn womöglich zu den Menschen zurückbringen. „Wart ihr eigentlich deswegen bei den Käfigen? Wolltet ihr die anderen Tiere fressen?“ Die Tiere in den Käfigen hätten sicherlich eine leichte Beute abgegeben, und er hoffte, die drei Wölfe nicht um ihren einfachen Jagderfolg gebracht zu haben.

Devaki nahm die Antwort des jungen Rüden nickend zur Kenntnis. Er war sich sicher, dass Darion ein wenig übertrieb, was seine Jagdfähigkeiten anging – jedenfalls wenn sie sich so darstellte, wie seine Ausdauer es gestern gezeigt hatte. Aber immerhin schienen sie nicht von vorn anfangen zu müssen, wenn er die Wahrheit sagte. „Das werden wir ausprobieren.“ gab der Schwarze zurück und für einen Moment erschien der Anflug eines beruhigenden Lächelns auf seinen Lefzen. Der aber war so schnell verschwunden, wie er gekommen war, als Darion die Käfige ansprach. Devaki wandte die Ohren nach vorn und schüttelte nach einigen Momenten den Kopf. „Wir vergreifen uns nicht an hilflosen Geschöpfen – es sei denn, die Natur – und nur diese – hat ihr Ende bereits besiegelt.“ gab er zurück und seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass er das Tun der Menschen nicht guthieß. „Wir haben Freunde von mir gesucht.“ erklärte er schließlich knapp, doch für weitere Erklärungen war später noch Zeit. Hier sollte es nicht um ihn gehen. Sondern um Darion. „Wie bist du in den Käfig gekommen?“

Darion bemerkte Devakis Lächeln. Es beruhigte ihn, denn anscheinend schein der Schwarze nicht allzu sehr an seinen Fähigkeiten zu zweifeln. Das mit den hilflosen Geschöpfen und der Natur verstand er nicht so ganz. Es war doch einfach, ein gefangenes Tier zu fressen, warum sollte man sich das also entgehen lassen? Aber er schaute Devaki nur fragend an, ohne etwas zu sagen, denn er befürchtete, dass es sich um elementare Dinge handeln könnte, die jeder Wolf außer ihm wusste, und er wollte nicht zugeben, wie unwissend er war. Das Devaki Freunde gesucht hatte, hatte er schon mitbekommen, aber erst langsam schlich sich in sein Bewusstsein, was das bedeutete. Bisher hatte er die Freiheit gewissermaßen für eine Art übergroßen Hundezwinger gehalten, aber erst langsam wurde ihm klar, dass sie so groß war, dass sich darin zwei Tiere befinden konnten, ohne sich zu begegnen, sodass man sich suchen musste, ohne sicher zu sein, den anderen zu finden. Darion war froh, dass Devaki das Thema wechselte und nach seiner Vergangenheit fragte. Hier konnte Daron nicht viel falsch machen. Seine Vergangenheit könnte er eh nicht dauerhaft geheim halten, also konnte er sie gleich aussprechen und hoffen, nicht auf Ablehnung zu stoßen. „Naja, ich war mehrmals anderen Wölfen begegnet, aber die wollten mit mir nichts zu tun haben und haben mich immer vertrieben. Als ich dann eines Tages Menschen gerochen habe, dachte ich, das wäre eine ideale Gelegenheit, zu ihnen zurückzukehren. Ich bin also freundlich auf sie zugelaufen. Plötzlich hat mich irgendwas getroffen, ich bin umgefallen und das nächste was ich weiß, ist dass ich im Käfig war. Und sie haben mich da nicht mehr rausgelassen, egal wie freundlich ich sie angeschaut habe.“ Der grau-weiße Rüde schaute den schwarzen erwartungsvoll an, als hoffte er ein Urteil über das, was er gesagt hatte.

Der Schwarze lauschte geduldig, auch wenn er kaum glauben konnte, was der Rüde da erzählte. Dabei wunderte Devaki weniger, dass die Menschen ihn betäubt und eingesperrt hatten, als dass Darion offenbar versucht hatte freiwillig zu ihnen zu gehen und sich dann darüber wunderte nicht wieder freigelassen worden zu sein. „Du wolltest zu ihnen zurückkehren? Warum?“ fragte der Rüde deshalb nach und ließ sich auf die Hinterpfoten sinken, denn er glaubte, dass dieses Gespräch durchaus etwas länger dauern konnte. „Und was hast du getan, dass die anderen Wölfe dich nicht aufnehmen wollten?“ Devaki konnte sich die Antwort zu seiner letzten Frage bereits denken, aber er empfand es als höflich und gerecht den Rüden wenigsten zu fragen, bevor er sich die Antwort selbst gab. Außerdem – so der Eindruck des Schwarzen – tat es dem Grauen offenbar gut, erzählen zu können.

Darion freute sich, dass Devaki Interesse an seinen Erlebnissen zu haben schien. Allerdings wurde ihm durch die Rückfrage klar, dass er besser ganz von vorne anfangen sollte. Bevor er antwortete, ließ er sich ebenfalls nieder. „Naja, ich bin bei den Menschen aufgewachsen. Meine Mutter ist eine Hündin. Also, sie ist natürlich nicht meine richtige Mutter, meine richtige Mutter ist tot, und sie hat mich adoptiert. Aber für mich war sie meine Mutter. Aber als ich dann groß war, fühlte ich mich irgendwie fehl am Platze. Ich wollte frei sein und leben, wie Wölfe normalerweise leben, und bin daher weggelaufen. Aber als die anderen Wölfe mich nicht akzeptiert haben, habe ich gedacht, dass ich besser wieder zu den Menschen zurückkehre. Aber die waren nicht so nett wie mein vorheriger Mensch, und haben mich eingesperrt.“ Die nächste Frage verwirrte ihn etwas. Was sollte er schon getan haben? „Ich bin einfach auf sie zugelaufen und habe ihnen gesagt, wer ich bin, aber sie hat das anscheinend nicht interessiert. Sie haben immer nur gesagt, dass das ihr Revier ist und ich abhauen soll.“

Wieder blickte Devaki den anderen Rüden nur an und lauschte geduldig, was dieser aus seinem Leben erzählte. Mit jedem Wort über seine Vergangenheit schien Darion ruhiger zu werden – oder bildete er sich das nur ein? Mit jedem weiteren Wort allerdings fragte sich Deva langsam, wen sie da eigentlich aufgegabelt hatten – und ob Darion wirklich mehr von der Jagd und allem verstand, als es Liath oder Namíd taten. Wahrscheinlich waren die beiden sogar sehr viel besser auf ein Leben in der Wildnis vorbereitet – und in diesem Augenblick war Devaki für diese Erkenntnis mehr als dankbar. „Wieso bist du nicht du der Hündin zurückgekehrt?“ Es kam Deva ein wenig seltsam vor, dass sich ein Wolf noch andere Menschen suchen wollte, wenn er eine Abfuhr von Wölfen bekommen hatte. Hatte Darion etwa nicht mehr gewusst, wie man den Weg nach Hause fand? Devakis Augen huschten zu Darions Nase und er fragte sich, ob der Rüde überhaupt wusste, was er damit alles anstellen konnte. Eines war jedenfalls klar: über den Umgang mit Wölfen musste er noch einiges lernen. Aber Yashaí hatte wohl Recht: Sie würden es ihm schon beibringen.

Darion hatte befürchtet, bei Devaki auf Ablehnung zu stoßen, wenn dieser erfuhr, dass er unter Hunden aufgewachsen war. Aber falls dem so war, ließ sich der schwarze Rüde nichts anmerken. „Naja, ich war schon ein ganzes Stück weg von zuhause, und ich war mir nicht sicher, ob mein Mensch mich wieder aufnehmen würde. Er war immer nett zu mir, aber ich habe gemerkt, dass er die anderen Hunde lieber hatte. Vielleicht fand er mich auch etwas unheimlich. Aber der eigentliche Grund war mein Bruder Djago. Er war immer fies zu mir und meinte, dass ich als Hund nichts tauge. Er hätte mich bestimmt ausgelacht, wenn er erfahren hätte, dass ich auch nicht fähig bin, als Wolf zu leben. Dann hätte er mich bestimmt nie wieder in Ruhe gelassen und überall rumerzählt, dass ich ein Versager bin.“ Devakis Blick auf seine Nase bemerkte er zwar, wusste ihn aber nicht einzuordnen und beschloss daher, ihn zu ignorieren.

Eigentlich konnte Darion einem leidtun. Er wollte dazugehören und hatte zwei Welten kennengelernt, in die er passen konnte, doch keine dieser Welten wollte ihn so richtig aufnehmen. Er hatte einfach kein Zuhause. Devaki kannte dieses Gefühl nur allzu gut, weshalb er Darion ein wenig wohlwollender betrachtete als noch am Tag zuvor. „Wir werden dir einiges beibringen müssen. Und du wirst vieles lernen müssen, an dir arbeiten müssen, dich verbessern …“ gab der Schwarze nun dennoch zu bedenken und legte den Kopf ein wenig zur Seite, um Darion mit festem, prüfendem Blick anzusehen. „Eine Frage aber ist besonders wichtig und du musst sie ehrlich beantworten. Würdest du zu den Menschen laufen, wenn wir einem von ihnen begegnen?“

Darion freute sich, dass Devaki ‚wir‘ sagte. Das hieß, dass er vorerst bei den anderen bleiben durfte und nicht wieder weggeschickt wurde. „Ja, ich will lernen, wie man ein richtiger Wolf ist. Ich hoffe, ihr könnt es mir beibringen.“ Auf die Frage musste er überlegen. Er hatte die dumpfe Ahnung, dass Devaki ihn vielleicht doch wegschicken würde, wenn er sie mit ja beantwortete. Er wollte allerdings trotzdem nicht Lügen. „Ich glaube nicht. Sie haben mich zu sehr enttäuscht, ich will nicht wieder eingesperrt werden. Es sei denn, ich müsste, weil ich sonst nirgends bleiben kann. Oder vielleicht auch, wenn ich meiner Mutter begegnen würde. Dann kann ich sie doch nicht einfach ignorieren. Aber ansonsten will ich lieber bei euch bleiben.“ Darion hoffte, das Devaki diese Antwort reichen würde.


RE: Noch viel zu lernen | Nach 17 | Devaki und Darion - Darion - 29.07.2015

Devaki nickte stumm auf Darions Lernwillensbekundung. Seine Begeisterung darüber, einen halben Welpen lehren zu müssen, wie die Wolfswelt funktionierte, hielt sich eher in Grenzen. Aber immerhin zeigte Darion ein wenig Elan, das schien dem Schwarzen kein schlechter Anfang zu sein. Als der Graue schließlich auf seine Frage antwortete, runzelte Devaki ein wenig die Stirn. Er war sich nicht sicher, ob Darion verstanden hatte, worauf er mit der Frage abgezielt hatte. „Menschen bedeuten für uns Gefahr. Keine Alleingänge, keine Freundschaftsangebote oder Begrüßungen, die nicht mit uns abgesprochen sind. Wir helfen dir, die Wolfswelt kennenzulernen. Das wird nicht leicht, das wird anstrengend. Futter selbst jagen, selten ein schützender Unterschlupf und Wärme bekommst du hier nur, wenn du den anderen vertraust und dicht bei ihnen schläfst. Die wichtigste Regel will ich dir jetzt schon einbläuen: Vertrauen. Wir müssen einander vertrauen können, uns aufeinander verlassen können, um zu überleben. Wenn du unabgesprochen zurück zu den Menschen gehst und uns damit in Gefahr bringst …“ Devaki legte eine Pause ein, weil er eine Alternative suchte zu Worten wie ‚… dann lernst du mich kennen‘ oder ‚… dann bekommst du es mit mir zu tun‘. Dem Schwarzen fielen keine ein und so überließ er es Darion einfach selbst, den Satz zu vollenden. “Wenn du mit uns gehst, sind wir deine neue Familie. Dann gibt es kein zurück. Seine Familie beschützt man.“

Darion war von Devakis Erklärungen sichtlich überfordert. „Warum sind die Menschen für euch gefährlich? Sie sind doch ganz nett. Naja, die meisten jedenfalls. Die, die mich eingesperrt haben, waren nicht so nett, glaube ich.“ Er überlegte. Keine Alleingänge? Er fand es nett, dass die anderen Wölfe bereit waren, ihm das Leben als Wolf zu erklären. Aber er fand es irgendwie anmaßend von Devaki, ihm Vorschriften zu machen. Jetzt, wo Darion endlich wieder frei war, durfte er doch tun und lassen, was er wollte, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten. Er wusste nur nicht, wie er das dem schwarzen Rüden erklären könnte, ohne ihn zu verärgern, daher schwieg er vorerst. „Ich glaube, cih vertraue euch, aber ich kenne euch ja noch gar nicht wirklich.“ Und das mit der Familie klang irgendwie unheimlich. „Wie könnt ihr meine Familie sein? Wir sind doch gar nicht verwandt, oder?“ Ganz sicher war er sich nicht, schließlich hatte er seine leibliche Mutter nie kennen gelernt. Vielleicht war er ja doch mit den anderen verwandt, ohne es zu wissen?

„Weil die meisten, die uns begegnen, eher so sind wie die, die dich eingesperrt haben.“ lautete die knappe Antwort auf die Fragen, die der unerfahrene Rüde stellte. Kurz war die Naivität aufgeblitzt, die Darion offenbar in sich herumtrug – und von der Devaki befürchtete, dass sie ihnen vielleicht irgendwann schaden könnte. Der Rüde hatte nicht nur zu lernen, wie ein Wolf zu denken und zu agieren. Er musste auch lernen, dass die Welt nicht nur aus guten Ereignissen und rechtschaffenden Geschöpfen bestand. Diese Lektionen würden härter zu lernen sein als die Jagdstrategien. „Nein, natürlich sind wir nicht verwandt. Aber wir reisen zusammen, wir müssen uns aufeinander verlassen können – und zusammenhalten, wie in einer Familie.“ Erklärte Devaki geduldig auf Darions verwirrte Frage. Er verkniff sich ein missbilligendes Stirnrunzeln.

Darion kam zu dem Schluss, dass die Menschen in dieser Gegend wohl nicht so nett waren, wie da, wo er herkam. „OK, ich werde vorsichtig sein.“ Dennoch würde er sich von Devaki nichts vorschreiben lassen, und darum vermied er es absichtlich, dessen Anweisung, nichts ohne Erlaubnis zu tun, ausdrücklich zu akzeptieren. „Wie eine Familie? Das klingt nett. Ich habe mich immer irgendwie alleine gefühlt, seit ich meine Familie verlassen habe.“ Nach einer kurzen Pause setzte er allerdings hinzu: „Meine Mutter werde ich aber trotzdem nicht vergessen. Sie hat mir immerhin das Leben gerettet und mich wie ihren eigenen Sohn behandelt, obwohl ich das eigentlich gar nicht bin.“ Seine Mutter zu vergessen konnte Devaki nicht von ihm erwarten, neue Familie hin oder her.

Der Schwarze beobachtete Darion eindringlich. Er wollte jede Bewegung, jede Reaktion mitbekommen, um zu wissen, woran er bei dem Rüden war. Die Familienvorstellung zumindest schien dem jungen Wolf zu gefallen – und das war immerhin ein gutes Zeichen. Wie gut er sich schließlich in diese Familie – die tatsächlich keine war, sondern zunächst einmal nur eine Zweckgemeinschaft – einfügen konnte, würde sich in der nächsten Zeit zeigen. Erstaunt aber war der Schwarze, als Darion anklingen ließ, dass er seine Mutter nicht vergessen würde. Irritiert hob der Rüde die Augenbrauen und blickte Darion verständnislos an. „Niemand erwartet, dass du deine Mutter, deine eigentliche Familie oder dein altes Leben vergisst“, antwortete Devaki schließlich. „Vielleicht verstehst du es besser, wenn du ein wenig bei uns bist: In einem solchen Winter sind wir aufeinander angewiesen, wenn wir gemeinsam reisen. Wir versorgen uns, wir beschützen uns. Wir achten aufeinander.“

Darion beruhigte es, dass die anderen als eine Art Familie anzusehen nicht bedeuten mussteseine eigentliche Familie zu vergessen. „Das klingt schön! Vielen Dank, dass ich Teil davon sein darf.“ Plötzlich kam ihm eine Idee. „Sind wir jetzt eigentlich ein Rudel?“ Er wusste nicht, was ein Rudel genau ausmachte, aber Devakis Beschreibung klang so, als ob diese Bezeichnung darauf passen könnte.

Devakis Miene wurde ein wenig weicher. Dass Darion an seiner Mutter hing, gefiel dem Rüden. Er erinnerte sich nur allzu gut an seine eigene Mutter – und an das schreckliche Gefühl, das er gespürt hatte, als Nana ihm von ihrem Tod berichtet hatte. „Ein Rudel?“ Devaki wog sanft den Kopf hin und her, als er überlegte. Was machte ein Rudel aus? Eigentlich war es wirklich eine Familie. Man vertraute sich, ja und sorgte füreinander. Und man war nicht zersplittert. „Ich habe schon ein Rudel, weißt du. Deshalb.. sind wir vielleicht eher eine kleine Gemeinschaft – aus meiner Sicht. Aber für dich sind wir vielleicht schon ein richtiges Rudel ja.“ Es war die diplomatischste Antwort, die ihm in den Sinn kam.

Darion rückte vorsichtig ein wenig näher an den schwarzen Rüden. Schließlich waren sie jetzt ja so etwas wie eine Familie. Es war ein seltsames Gefühl, dazuzugehören, irgendwie schön und aufregend zu gleich. Ohne dass er es bewusst merkte, begann seine Rute leicht zu wedeln. Devakis nächste Erklärung verwirrte ihn jedoch wieder. „Du hast schon ein Rudel? Wo ist es denn? Und warum bist du nicht da, wo dein Rudel ist?“ Wenn er das Rudel verlassen hatte, war es doch nicht mehr sein Rudel. Oder wollte er zurückkehren? Aber das hieße ja, dass sich ihre Wege doch wieder bald trennen würden, wenn Devaki gar nicht bei ihnen bleiben wollte.

Er hatte befürchtet, dass diese Fragen kommen würden. Devaki hatte keine wirkliche Lust die Geschichte noch einmal zu erzählen und wieder an alles erinnert zu werden. Unwillkürlich rückte er ein Stück ab, als Darion näher kam. Gerade jetzt, wo der andere sein Rudel angeschnitten hatte, kam es ihm falsch und seltsam vor körperliche Nähe zuzulassen. Um die Bewegung nicht komisch wirken zu lassen – und weil Darion es ohnehin erfahren würde – setzte der Schwarze schnell zu einer Erklärung an. „Mein Rudel ist getrennt worden. Wir waren auf der Suche nach einem neuen Revier, mussten einen Fluss überqueren und die Eisdecke ist gebrochen. Wir sind fortgespült worden und ich bin hier gelandet, wo ich Yashaí; und Evanaya getroffen habe.“ Es war eine kurze Erklärung, die einige Punkte ausließ. Aber er vertraute Darion noch nicht so sehr, als dass er diese mit einbauen wollte. Und vorerst genügten seine Worte sicherlich, um Darion einigen Stoff zum nachdenken zu liefern.

Darion merkte sehr wohl, das Devaki von ihm abrückte, um die Distanz zwischen ihnen beizubehalten. Etwas enttäuscht stellte er fest, dass er das mit der Familie vielleicht doch etwas zu wörtlich genommen hatte. Nicht, dass er vorgehabt hätte, sich an Devaki so anzukuscheln, wie er es als Welpe bei seiner Mutter gemacht hatte, aber nach dem Gerede über Gemeinschaft hatte er doch angenommen, dass man zueinander keinen so großen Sicherheitsabstand brauchte, wie zu einem Fremden. Die Erklärung des Schwarzen riss ihn allerdings aus diesen überlegungen. „Ist ein Rudel, dass getrennt wird, denn noch ein Rudel? Und warum habt ihr ein neues Revier gesucht? Wozu braucht man überhaupt ein Revier? Und wie findet man eins?“ Je mehr Devaki erzählte, desto mehr Fragen hatte Darion. Der grau-weiße Rüde merkte jedoch selbst, dass seine Fragerei vermutlich etwas viel auf einmal war, und setzte schnell hinzu: „Entschuldige bitte die vielen Fragen. Es ist nur so, dass ich jetzt erst merke, wie viel es gibt, das ich noch gar nicht weiß.“

Devaki hatte befürchtet, dass noch mehr Fragen kommen würden. Er seufzte innerlich, verkniff sich aber Darion sein Unbehagen zu zeigen. Sonst dachte der Rüde noch, es läge an ihm. Devaki wollte gerade antworten, als sein Blick auf den Hals seines Gegenübers fiel. Vorher hatte der Schwarze es nicht gesehen. Im Fell war es unsichtbar gewesen. Doch jetzt, nachdem Darion sich bewegt hatte, blitzte plötzlich ein seltsames Ding an seinem Hals auf. Nicht sehr groß, aber wie ein Halsband, das die Menschen ihren Hunden gaben – und ein kleines rotes Licht blinkte an einer Stelle. Devaki ignorierte die Fragen des Rüden, sondern deutete stattdessen auf Darions Hals. „Was ist das?“ fragte er etwas kühler, als er beabsichtigt hatte. Er verkniff sich die Frage, warum Darion nicht schon früher von dieser „Errungenschaft“ erzählt hatte.

Darion wunderte sich über Devakis Frage. „Ein Halsband, das sieht man doch.“ Hatte der schwarze Devaki etwa noch nie ein Halsband gesehen? Oder wollte er nur Darions Fragen nicht beantworten und versuchte so, das Thema zu wechseln? Für Darion war es völlig normal, ein Halsband zu tragen, als er noch bei den Menschen lebte, hatte er das häufiger getan. Andere Hunde trugen schließlich aus Halsbänder, also hatte er sie nie groß Gedanken darüber gemacht. Und so kam er gar nicht darauf, dass ein Halsband für einen Wolf überhaupt nicht so normal war, wie für einen Hund.

Ungehalten über die Antwort des Rüden brummte Devaki unzufrieden: „Das sehe ich auch, danke. Seit wann hast du das? Und warum blinkt es?“ Wahrscheinlich konnte Darion nicht einmal sehen, dass es blinkte. Deva gefiel es nicht. Er versuchte sich daran zu erinnern, was die Menschen mit solchen blinkenden Dingern bewirken konnten. Aber der Schwarze war nie so nah an die Menschen herangekommen, als dass er sich an die richtigen Informationen erinnern konnte. Wollten sie ihn damit fesseln? Konnte Darion einen bestimmten Punkt damit nicht übertreten? Blieb er also auch gefangen, wenn er eigentlich frei war? Und was bedeutete das für Yashaí;, Evanaya und ihn selbst?

Darion war überrascht, dass Devaki auf einmal so patzig reagierte. Er hatte doch die dumme Frage gestellt, da musste er sich nicht wundern, eine völlig offensichtliche Antwort zu bekommen. Darion beschloss allerdings, keinen Streit zu riskieren, indem er Devakis Tonfall ignorierte und sachlich auf die Fragen antwortete. „Ich habe es um, seit ich im Käfig bin. Die Menschen haben es mir wohl umgemacht, als sie mich eingesperrt haben. Ich habe mich erst darüber gefreut, weil ich dachte, sie würden mich als Hund akzeptieren. Aber sie haben mich trotzdem nicht rausgelassen. Dass es blinkt ist mir noch gar nicht aufgefallen, ich kann es ja selbst nicht sehen. Ich weiß auch nicht, warum es blinken sollte. Muss es denn einen Grund dafür geben? Es gibt Halsbänder in allen möglichen Farben und Sorten, sicherlich auch welche, die blinken. Vermutlich blinkt es nur, weil den Menschen blinkende Dinge gefallen. Menschen haben manchmal einen komischen Geschmack.“ Er verstand immer noch nicht, warum Devaki sich für so etwas banales wie ein Halsband interessierte.


RE: Noch viel zu lernen | Nach 17 | Devaki und Darion - Devaki - 09.08.2015

Darions Antwort beruhigte ihn überhaupt nicht. Dass der Rüde so sorglos mit allem umging und nicht argwöhnisch geworden war, ärgerte den Schwarzen sogar ein wenig. Allerdings erinnerte er sich an die Umstände unter denen der andere Rüde aufgewachsen war und schob seinen Unmut zur Seite. Stattdessen trat er einen Schritt auf Darion zu und betrachtete das Halsband eingehender. „Hier draußen, ein Halsband? Das erscheint mir nicht sehr sinnvoll, zumal sie dich ja gefangen gehalten haben, da würde es gar keinen Sinn machen dich wie einen Hund zu kennzeichnen“, überlegte Devaki laut und streckte vorsichtig den Kopf nach vorn, um an dem seltsam blinkenden Ding zu riechen.

Warum machte der schwarze Rüde nur so ein Gewese wegen des Halsbands? Darion überlegte, ob Devaki womöglich sogar neidisch war, weil er kein Halsband hatte. Aber so schätzte er den Schwarzen eigentlich nicht ein. „Warum machst du dir so viele Gedanken darüber? Du tust ja so, als ob ein Halsband etwas besonderes wäre. Wo ich herkomme, trägt fast jeder Hund eins.“ Jetzt schnupperte Devaki, der eben noch darauf Wert gelegt hatte, Abstand zu halten, auch noch an dem Halsband, als wollte er prüfen, ob man es fressen könnte. Darion wich nicht zurück, aber sein Gesicht zeigte deutlich, was er davon hielt.

Deva brummte leise, als Darion seine Sorge hinterfragte. Wunderbar. Dieser unerfahrene Wolf, der bei Menschen aufgewachsen war, machte sich also keine Gedanken, wenn man ihm ein blinkendes Ding um den Hals schnallte, aber sobald es jemanden gab, der das seltsam und beunruhigend fand, machte er seinen Fang auf. Der Schwarze schüttelte missbilligend den Kopf. „Da wo du herkommst mag das so sein. Hier ist es ungewöhnlich. Niemand trägt ein Halsband, es sei denn, die Menschen haben irgendetwas im Sinn. Und da ich diesen Sinn nicht kenne, er aber womöglich eine Gefahr für uns bedeutet, mache ich mir Gedanken darüber.“ Deva bemerkte den Ausdruck auf Darions Gesicht, als er sich mit der Nase näherte, allerdings ignorierte der Schwarze das. Ihre Sicherheit ging vor, da konnten sie keine Rücksicht auf Befindlichkeiten nehmen. Der Neuling konnte sich so außerdem schon einmal daran gewöhnen sich unterordnen zu müsssen. Der Schwarze stellte die Rute ein wenig auf, zog nach einigen Sekunden aber den Kopf wieder zurück. „Mir gefällt das nicht. Ich denke, wir sollten zusehen, dass wir es loswerden.“ stellte er schließlich nüchtern fest und überlegte zeitgleich, wie sie das anstellen sollten.

Darion war über Devakis Antwort deutlich erstaunt. „Wölfe tragen normalerweise also keine Halsbänder? Das wusste ich noch gar nicht. Aber ich kann dir versichern, dass es vollkommen harmlos ist. Mir ist noch nie irgendetwas deswegen passiert. Und erst recht jemand anderem in meiner Umgebung. Du musst dir also keine Sorgen machen.“ Darion bemerkte Devakis dominante Körperhaltung durchaus, und er konnte sie auch einordnen. Auch bei Hunden gab es schließlich so so etwas wie eine Rangordnung. Er wusste nur nicht, wie er darauf reagieren sollte. Sollte er sich dem Schwarzen nur deshalb unterordnen, weil dieser das anscheinend erwartete? Er war doch jetzt genau so ein freier Wolf wie Devaki. Andererseits hatte er auch keine Lust, es auf eine Auseinandersetzung oder gar einen Kampf ankommen zu lassen. Er entschied sich unsicher, erst einmal abzuwarten, wie sich der schwarze Rüde in dieser Hinsicht weiter verhalten würde. Was das Halsband anging, war Darion durchaus bereit, darauf zu verzichten. Zwar war es eine Art Erinnerung an seine Zeit als Hund bei seiner Mutter, aber wenn Halsbänder bei Wölfen nicht üblich waren, war es vielleicht nicht verkehrt, sich dem anzupassen. „Mich stört es wie gesagt nicht. Aber wenn es dich beruhigt, kannst du es gerne abmachen, wenn du weist wie es geht. Ich selbst komme leider nicht dran.“

„Nein, warum sollten wir? Und wer sollte uns welche ummachen?“ Devaki war irritiert über Darions Annahme – dachte er wirklich, Wölfe würden wie Hunde Halsbänder tragen? Überlegte er denn nicht bis zum Schluss? Dann wäre ihm aufgefallen, dass dieser Gedanke mehr als nur unlogisch war. „Das war allerdings auch in der Stadt – und nicht hier draußen, wo es keine Hunde gibt und auch keine Halsbänder geben sollte.“ gab der Schwarze nüchtern auf Darions Beruhigungsversuch zurück. Sicher, der Rüde meinte es nur gut. Allerdings wirkte er dadurch so unglaublich naiv, dass Devaki sich ein wenig beherrschen musste, um ihn nicht belehrend anzufahren. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Lösung des Halsbandproblems. „Ich werde versuchen es aufzubeißen. Bereit?“ fragte er und warf dem Braunen einen prüfenden Blick zu.

Darion wurde erst jetzt klar, wie unlogisch die Vorstellung von Wölfen mit Halsbändern war. „Stimmt, mit den Menschen habt ihr ja nicht viel zu tun.“ Dass Devaki das Halsband weiterhin als potentiell gefährlich betrachtete, konnte er allerdings immer noch nicht nachvollziehen. „Wenn sie in der Stadt ungefährlich sind, warum sollte das hier draußen anders sein?“ Die Vorstellung, dass der schwarze Rüde mit seinen Zähnen ganz dicht an seinem Hals arbeiten wollte, fand Darion hingegen durchaus beunruhigend. Er versuchte allerdings, es sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen. „Gut, aber pass bitte auf, dass du nicht mich beißt.“

Devaki unterdrückte den Drang die Augen zu verdrehen. Er atmete tief ein. „Hier liegen die Dinge eben ein bisschen anders, Darion. Das dort ist eine Veränderung – etwas, das es hier draußen nicht gibt. Die Menschen tun selten etwas ohne Grund.“ Deva versuchte es so gut zu erklären, wie es ihm möglich war, aber er war sich dennoch nicht sicher, ob Darion ihn verstand. Ihre Lebenshintergründe waren grundverschieden. Was dem Schwarzen ganz logisch und selbstverständlich erschien, war für sein Gegenüber neu und unverständlich. Es erschien Deva das Beste, sich auf das Wesentliche und im Augenblick wichtigste zu konzentrieren: Das Halsband loswerden. „Keine Angst, ich hab heute keine Lust dir heute die Kehle zu zerbeißen.“ Nur ein leichtes Lächeln verriet, dass der Satz voll trockenem Humor triefte.

Devakis Antwort bestätigte Darions Annahme, dass der schwarze Rüde nur deshalb Angst vor dem Halsband hatte, weil er so etwas nicht kannte. Aber der Graue entschied sich, nicht weiter auf das Thema einzugehen. Gegen eine solche Angst half meist keine noch so ausführliche Erklärung. Einen Moment lang kam ihm der Gedanke, dass es vielleicht ganz gut wäre, zusammen mit Devaki zu den Menschen zurückzukehren, damit dieser sehen konnte, dass Menschen gar nicht so schlimm waren. Aber er verwarf diese Überlegung sofort wieder. Die Zeit im Käfig hatte ihm klar gemacht, dass manche Menschen doch gefährlich sein konnten. Und außerdem würde der Schwarze sich ohnehin nicht auf so etwas einlassen. Er konzentrierte sich also auf Devakis Versuch, das Halsband durchzubeißen. Der schien die Sache ganz locker zu nehmen, aber es war ja auch nicht sein Hals, neben dem gleich kräftige Zähne aufeinander krachen würden. Zögerlich sagte er: „Gut, ich bin bereit.“ Er hielt ganz still, damit Devaki das Halsband auch ja nicht verfehlen würde. Gerade eben hatte er sich ja noch etwas mehr Nähe gewünscht. Aber doch nicht so!

Er war dankbar, dass Darion keine weiteren Versuche unternahm das Halsband für harmlos zu erklären oder neue Fragen stellte. So konnte sich Devaki tatsächlich darauf konzentrieren ihm nicht ins Halsfell zu beißen. Behutsam schob er den Fang vor und schob die Zähne zwischen das Band und den Pelz des Rüden. Erst als er sicher war, dass er Darion kein Fleisch abklemmte oder ihn verletzen würde, biss er zu – zunächst vorsichtig, dann kräftiger. Das Ding erwies sich allerdings als kräftiger, als Deva gedacht hatte. Es gelang dem Schwarzen das Material zusammenzudrücken, doch spürte er nicht, dass es nachgab.

Devakis Fang so nahe an seinem Hals zu spüren machte Darion nervös, was allerdings nachließ, als er merkte, dass der schwarze Rüde tatsächlich sehr vorsichtig vorging, um ihn nicht zu verletzten. Angenehm war es allerdings trotzdem nicht, und es schien länger zu dauern, als Darion angenommen hatte. Was genau vor sich ging, konnte er jedoch nicht sehen, da sich das Halsband ja außerhalb seines Blickfeldes befand. Ungeduldig fragte er nach: „Klappt es? Dauert es noch lange?“ Dabei flüsterte er jedoch nur und achtete darauf, weiter still zu halten.

Zäh war gar kein Ausdruck. Je kräftiger er zubiss, desto mehr schien sich das Halsband gegen den Zerstörungsversuch zu wehren. Devaki öffnete den Fang noch einmal und biss erneut zu, doch auch dieses Mal hatte er keinen Erfolg. Missmutig ließ er ab und trat einen Schritt zurück, starrte finster auf das Ding, das noch immer an Darions Hals herumblinkte. „Ich bekomme es nicht ab.“ gestand er zähneknirschend. Er überlegte, welche Möglichkeiten sie noch hatten es loszuwerden. Doch Devaki musste sich eingestehen, dass ihm keine einfielen.

Darion war nicht wirklich enttäuscht, dass Devaki das Halsband nicht abbekam. Ein bisschen freute er sich sogar darüber, schließlich erinnerte es an seine Zeit als Hund. Allerdings machte er sich Sorgen, dass die Wölfe ihn damit nicht als Artgenossen akzeptieren würden, da er ja jetzt wusste, das Wölfe keine Halsbänder trugen. Aber sicherlich waren nicht alle so Ängstlich im Umgang mit Ungewohntem wie Devaki. Und auch der schwarze Rüde würde seine Befürchtungen hoffentlich im Laufe der Zeit überwinden, wenn er erkannte, das von dem Halsband tatsächlich keine Gefahr ausging. Dennoch hielt er es für angebracht, zu antworten: „Schade. Ich glaube, nur Menschen können so ein Halsband aufbekommen. Aber vielleicht finden wir ja noch eine andere Möglichkeit. Und wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm.“

Im Gegensatz zu Darion fand Devaki es durchaus schlimm, dass er das Halsband nicht hatte lösen können. Aber immerhin gab der Schwarze dem anderen Rüden in einem anderen Punkt Recht: Vielleicht fanden sie eine andere Möglichkeit mithilfe der anderen. Yashaí und Evanaya hatten womöglich Ideen im Kopf, an die sie beide nicht dachten. Sonst würde Devaki es noch einmal versuchen. „Mhm... Gut, lass uns besser zu den anderen zurückkehren.“ Der Schwarze versuchte unbeschwert zu klingen und ließ sogar die Rute leicht pendeln. Dabei war ihm gar nicht fröhlich zumute. Hoffentlich fanden sie tatsächlich noch eine Möglichkeit, das Ding abzubekommen. Deva hatte keine wirkliche Lust es länger als nötig an Darions Hals zu sehen.

Darion war froh, dass Devaki seinen Misserfolg anscheinend nicht allzu schwer zu nehmen schien. Allerdings spürte er dann doch, dass der Schwarze wohl doch nicht ganz so unbekümmert war, wie er zunächst schien. Daher war der Graue froh über den Vorschlag, zu den anderen zurückzugehen. Das würde Devaki auf andere Gedanken bringen. „Ja, die vermissen uns bestimmt schon. Hoffentlich denken sie nicht, dass wir sie zurückgelassen haben.“ Während er noch sprach, setzte er sich schon in Bewegung, damit der Schwarze es sich nicht vielleicht noch anders überlegte.